Posts mit dem Label vorgestellt werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label vorgestellt werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 26. Mai 2012

Lust 2.0 - Über das Begehren im Internetzeitalter




Klarer Fall von Binsenweisheit: Im Internet gibt es nichts, was es nicht gibt, schon gar nicht im Hinblick auf Sex. Meistens wird das mit einem gewissen Bedauern beäugt, weil die jetztigen und nachfolgenden Generationen wohl nie wieder so „unschuldig“ mit dem Thema Sexualität umgehen werden wie wir Thirtysomethings von heute vielleicht gerade noch so eben (bei uns hieß es immerhin auch schon, dass das Privatfernsehen und die Werbung uns „verdorben“ haben, aber wer hätte geahnt, wie harmlos das alles noch war...). Gleichwohl, wenn man drüber nachdenkt, war früher nun wirklich nicht alles besser, ganz bestimmt nicht in sexueller Hinsicht. Ein Beispiel: Wer noch in den 80er und den frühen 90er Jahren sein Coming Out als Schwuler oder als Lesbe hatte, fühlte sich in der Regel allein mit sich und diesen Gefühlen. Heutzutage ist es relativ einfach, an Informationen zu kommen und Kontakte zu knüpfen. Dass daran natürlich auch wieder ganz neue Gefahren gekoppelt sein können, lassen wir mal außenvor.

Kurz gesagt: Das Medium als solches bringt weder per se Schlechtes noch durchweg Gutes zutage, aber es hat die Welt verändert. Und während früher Scham und Scheu der Probanden Untersuchungen über Sexualität beeinflusst haben, haben sich die beiden Neurobiologen Sai Gaddam und Ogi Ogas repräsentativerer Quellen wie z.B. der Suchwörter im Internet bedient, um ihre Thesen zu untermauern. Das Ergebnis ist der vermutlich umfassendste Versuch, die Beschaffenheit des menschlichen Begehrens zu begreifen.

Ein wenig habe ich ja befürchtet, dass ich mich über dieses Buch ärgern würde. Denn oftmals sind mir soziobiologistische Forschungsergebnisse zu sehr den Geschlechterklischees aus der Steinzeit verhaftet. Daran ist meiner Meinung nach nicht die Biologie an sich schuld, sondern der Wissenschaftler, oftmals männlich, der hier die Rückschlüsse zieht. Es ist eine Sache, unsere Hormone für etwas verantwortlich zu machen, und eine andere, Geschlechterzuordnungen durch Steinzeitklischees derart zu zementieren, dass es in der heutigen Welt absurd erscheint.

Erfreulicherweise wird hier sehr wenig und sehr vorsichtig gewertet - schon gar nicht moralisch -  und im Vorwort betont, dass Statistiken immer nur Durchschnittswerte wiedergeben und nicht auf jedes Individuum zutreffen (gut, auch das ist zwar wieder eine Binsenweisheit, sollte man meinen, doch erinnere ich mich noch ungern und lebhaft an die begeisterten Leserinnen und Leser des Ehepaars Pease, die uns auf achso unterhaltsame Weise weismachen wollten, dass Männer nicht zuhören können und Frauen schlecht einparken, weil das schon in der Steinzeit so war. Also jedenfalls seit Steinzeitautos gab. Wahrscheinlich.)

Nun finde ich es interessant, dass ausgerechnet ein Autorenteam, das aus zwei Männern besteht, sich nicht damit abfindet, die riesengroße Porno-Männerwelt zu untersuchen und das weibliche Begehren damit unter „ferner liefen“ behandeln. Ich hätte mich nicht darüber gewundert, und vielleicht nicht mal auf den ersten Blick darüber geärgert, wenn es so gewesen wäre, denn die eher männlich geprägte Pornoindustrie ist es ja, die uns die ganze Zeit anschreit „Klick! Mich! An!, die allgegenwärtigen Pop-Up-Fenster und blinkenden Seitenbalken mit nacktem Fleisch.

Doch die Suchwörter geben ein relativ geschlechtsneutrales Bild ab, in der auch Frauen nach expliziten Inhalten suchen, nur eben anders. Und hier wird’s dann richtig interessant, finde ich. Viele Frauen, das weiß man ja, können mit „klassischer“ Pornographie nichts anfangen. Auch dann nicht, wenn das „Objekt“ ein Mann ist. Gleichwohl haben auch die wohlwollenden feministischen Ansätze mit Plot oder Kuschelszenen nur bei wenigen ein Prickeln erzeugt. Dass Frauen im Durchschnitt das geschriebene Wort bevorzugen, dass es dabei aber auch ruhig heftig zur Sache und vor allen Dingen ins Detail gehen darf, dürfte vielleicht einige überraschen. Weiterhin berichten die Autoren in diesem Zusammenhang über das Phänomen der Fanfiction und Erotic Romance Novels, deren Beliebtheit in den letzten Jahren durch das Internet geradezu explodiert ist – bei einem zu nahezu 100% weiblichen Publikum. Noch interessanter, dass auch Leserinnen und Autorinnen auch dann noch überwiegend weiblich sind, wenn es um Sex zwischen zwei Männern geht. In der so genannten „Slash“ Fanfiction nimmt sich frau dafür in der Regel zwei heterosexueller Charaktere vor und „dichtet“ ihnen eine Romanze an. In der Sprache dieser erotischen Geschichten fällt vor allem die Introspektive auf, der Blick auf die innersten Empfindungen der Protagonisten. Aber Vorsicht Vorurteile, hier wird nicht bloß gekuschelt: Dabei kann es sich um subtile Romanzen handeln oder um BDSM-Beziehungen.

Dass Männer Sex zwischen Frauen erotisierend finden, ist ja bekannt. Der „Kick“ liegt in beiden Fällen in der Verdopplung der Reize, heißt es.

Bei Frauen stellen die Autoren weiterhin fest, dass „wir“ differenzieren können zwischen physischer und psychischer Lust, während Männer da wohl tatsächlich etwas geradliniger gestrickt sind, wenn das Blut erst mal woandershin geflossen ist...Diese Diskrepanz ist wohl der Grund, weshalb es bisher noch kein wirksames Viagra für Frauen gibt.

Doch auch der Mann ist in seinem Begehren ein komplexeres Wesen, als man aufgrund der üblichen Klischees vermuten könnte. So ziehen die Herren der Schöpfung übergewichtige Frauen untergewichtigen vor, stehen auf ältere („MILFs“) und „besinnen“ sich neuerdings auf weniger durchgestylte Filme aus den 50er und 60er Jahren, die offensichtlich authentischer rüberkommen.

Da fällt mir auf: Auch wenn das Internet ein ganzes Panoptikum von Perversionen anbietet, so wirkt der anonyme Blick auf die Vorlieben der Massen wiederum geradezu...nun ja, durchschnittlich. Das hat doch irgendwie was Erfrischendes.

Der Titel schreit einem aus Bild-Zeitungs-Lettern entgegen „Klick!Mich!An!“. Im Original heißt es etwas unaufgeregter „A Billion Wicked Thoughts“, zu deutsch „Eine Milliarde schmutziger Gedanken“, was dem Inhalt sicherlich gerechter wird. Während der Titel nach pseudo-skandalösem Enthüllungsjournalismus klingt, war ich nämlich vom Inhalt wirklich angenehm überrascht. Ein paar Erkenntnisse waren mir persönlich wirklich neu oder zumindest noch nicht als wissenschaftliches Phänomen untergekommen. Dabei ist diese kluge Analyse über Sex und das Begehren im Internetzeitalter stets unterhaltsam und ausgesprochen spannend zu lesen – ohne sich dabei jemals auf das Niveau jener Bestseller zu begeben, die uns vor einigen Jahren die Welt erklären wollten. Seriöse Sachbuchautoren wollen uns ja ohnehin nicht die Welt erklären, sie wollen Zusammenhänge und Sachverhalte aufdecken -. und überlassen das moralische oder weltanschauliche Urteil dem Leser oder der Leserin. Finde ich. Und das ist hier gelungen.

Informationen des Verlags: 

Sai Gaddam, Ogi Ogas

Klick! Mich! An! Der große Online-Sex-Report

Originaltitel: A Billion Wicked Thoughts
Originalverlag: Dutton, New York 2011
Aus dem Amerikanischen von Bettina Spangler

Deutsche Erstausgabe
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-7645-0431-1

€ 16,99 



Donnerstag, 24. Mai 2012

Sabines Quickies: Heidelbeerkomp(l)ott.



Jawoll. Heidelbeerkompott. Daran muss ich jedes Mal denken, wenn ich dieses Buch und sein Cover sehe. Ich finde es aber sehr gelungen, und Heidelbeeren passen ja zu einer richtig schönen Sommerlektüre.

Tatsächlich aber verspricht uns der Titel ein Frauenkomplott. Mal sehen: Eine Frau zieht nach ihre Scheidung die A-Karte, doch gemeinsam mit ihren Freundinnen beschließt sich, sich zu wehren. Damit fängt es an. Entscheidend bei dieser Geschichte ist aber nicht so sehr die Handlung, sondern die flotte, treffende Schreibe der Autorin und ihre genaue Beobachtungsgabe. Die Seitenhiebe auf das Arbeitsleben von heute, in denen studierte Frauen sich oftmals von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln - bestenfalls - treffen jedenfalls genauso ins Schwarze wie manch ironische Lästereien über Männer und Frauen. Mal wieder ein schönes Buch, das beweist, das "Frauenliteratur" kein Schimpfwort sein muss. Der eigentlich auf Regionalkrimis spezialisierte Gmeiner Verlag hat übrigens in diesem Frühjahr eine ganze Reihe "Frauenromane" auf den Markt geworfen, von denen sich einige recht viel versprechend anhören. Hier findet Ihr eine Übersicht.

Gehe ich jetzt ins Freibad oder koche ich Kompott?

Donnerstag, 17. Mai 2012

Der Nachttischstapel Mai 2012


Wie versprochen, mein erster Nachttischstapel. Wie Ihr vielleicht schon sehen könnt, eine wilde Mischung aus Neuerscheinungen und Büchern, die ich schon länger besitze und mal wieder hervorgeholt habe.





1. Richard C. Morais: Madame Mallory und der kleine indische Küchenchef (Pendo 2011)
Eine ganz zauberhafte Geschichte über das Kochen und über Lebensträume. Erinnert ein bisschen an "Chocolat". Ich würde auf die Taschenbuchausgabe warten, dann aber getrost zugreifen. Ist ein schöner Schmöker.
2.Ralf König: Dschinn Dschinn (Rowohlt 2005)
Nicht, dass ich es verheimlichen würde, aber was nur wenige von mir wissen: Ich habe eine nahezu vollständige Sammlung der Ralf König-Comics, und viele davon sehen schon ganz schön mitgenommen aus, weil ich sie immer wieder hervorhole. Dabei mag ich eigentlich gar keine Comics, mit Ausnahme eben von Ralf König und den Lesbencomics von Alison Bechdel.
"Dschinn Dschinn" habe ich wieder hervorgekramt, weil ich vor einigen Tagen im Kino den Doku-Film König des Comics von Rosa von Praunheim gesehen habe und mal wieder begeistert war von seiner Vielseitigkeit und seinem intelligenten Humor, seinem Mut, seiner unapologetischen Haltung. Da wird nix unter den Teppich gekehrt. Und nebenbei könnte ich mich jedes Mal aufs Neue bekringeln vor Lachen.
3. Marco Polo Reiseführer Lanzarote (Mairdumont 2011)
Bisschen unpassend vielleicht, aber da lag er nun mal. Ich bin letztes Jahr eine Woche auf Lanzarote gewesen und war sehr angetan von der kleinen Insel. Ursprünglich wollte ich kurz vor Ostern ein zweites Mal dorthin, aber das hat nicht geklappt. Aber es wird bestimmt nicht mein letzter Besuch dort bleiben, und dann wird mir dieses Buch wieder gute Dienste leisten. 
4. Helen Simonson: Mrs Alis unpassende Leidenschaft (Droemer 2012)
Eine Frühjahrsneuerscheinung, die ich von meinen ehemaligen Kollegen als Abschiedsgeschenk bekommen habe. Eine anglophil-indische Liebesgeschichte, die mir bisher sehr gut gefällt, bin aber noch nicht durch.
5. Carsten Sebastian Henn: Aqua et Vinum (Heyne 2012)
Meine Lieblingskrimis im Moment! Von diesen Weinkrimis aus dem Ahrtal habe ich schon zwei gelesen, einen weiteren möchte ich Euch demnächst in einer ausführlicheren Hörbuchrezension vorstellen, deshalb habe ich dieses Buch noch einmal rausgeholt, denn bei Hörbüchern vergesse ich die Namen meist wieder recht schnell. Mehr dazu dann ein anderes Mal.
6. Julie Peters: Im Land des Feuerfalken (Wunderlich 2012)
Der zweite Teil ihrer Neuseeland-Saga, der erste Teil heißt "Das Lied der Sonnenfänger" und war ein schöner Schmöker. Was mir als strickbegeisterte Leserin gefällt, sind die kleinen Szenen, in denen die Handarbeit eine Rolle spielt. Die Autorin strickt nämlich selbst und hat ein kleines Online-Wollgeschäft - außerdem ist sie sowieso eine ganz Nette. Wird man ja wohl mal so sagen dürfen ;o)...Ihr neues Buch habe grad erst angefangen. Da ich mich an viele Details aus dem "Lied der Sonnenfänger" erst so langsam wieder erinnere, stimme ich dem Klappentext zu, dass man den ersten Teil nicht unbedingt kennen muss. Schadet aber nicht.

Nicht zu sehen, aber ebenfalls auf meiner aktuellen "to read"-Liste sind noch weitere zwei Bücher. Zum einen bin ich gerade dabei, den 3. Teil von "Fifty Shades of Grey" als Hörbuch zu hören. 
Zum anderen hat meine Mutter im Augenblick noch die Fortsetzung der "Dienstagsfrauen" von Monika Peetz eingesackt, nachdem ich es mitgebracht habe. Es heißt "Sieben Tage ohne" und handelt davon, dass unsere Pilgerdamen diesmal sieben Tage gemeinsam heilfasten. Naja, mal schauen, ob die Fortsetzung hält, was sie verspricht.

So, das war's für heute. Ich wünsche Euch noch einen schönen Vatertag/ Feiertag!

Montag, 30. April 2012

Next big thing. Really?

Sex sells. Doch in virtuellen Zeiten hat uns so mancher Schlussverkauf der Begehrlichkeiten abgestumpft und gleichgültig gemacht. Schon wieder ein erotischer Bestseller? Gähn. What else is new?

Das Rad neu erfunden hat E.L. James auch wahrlich nicht mit ihrer Trilogie, die in den USA eingeschlagen hat wie eine Bombe. Im Gegenteil: Teile des Plots dürfte vielen Leuten ziemlich bekannt vorkommen, und das ist kein Zufall. Die "50 Shades"-Trilogie wurde zuerst im Internet als Twilight-Fanfiction veröffentlicht. Nach gründlicher Überarbeitung der Charaktere und des Plots hat die Autorin für ihr Werk einen kleinen australischen Verlag gefunden. Mit einem solchen Erfolg hatte natürlich keiner gerechnet. Wieder einmal eine Erfolgsgeschichte, wie sie heutzutage nur die neuen Medien schreiben.

Twilight ohne Vampire und dafür aber mit Sex - das klingt ja durchaus verlockend. Was im ersten Twilight-Band noch charmant und durchaus erotisch daher kommt, hat mich in Band 2 schon manchmal ganz schön genervt. Wer wollte nicht dem guten Edward entgegen aller politischen Korrektness vorschlagen, Bella mal das Hirn rauszuf...*piep*, nur um nachzuschauen, ob sie auch eins hat? Wer vor lauter Fixiertheit auf seinen Vampirlover vergisst zu atmen, bei dem ist vermutlich die eine oder andere Synapse locker.

Doch lassen wir Bella und Edward mal außen vor. "50 Shades of Grey" erzählt schließlich von Anastasia Steel und Christian Grey. Sie ist süße 21 und noch Jungfrau, als die beiden sich zum ersten Mal treffen. Christian ist 27 und schon ein megareicher Geschäftsmann. Ana soll ihn für die Studentenzeitung interviewen und schlägt sich dabei eher schlecht als recht. Ihre natürlicher Charme jedoch bezirzt den bisher emotional Unnahbaren, coolen Christian, für den Liebe bisher ein Fremdwort war. Wir ahnen, wo uns das hinführt. Nun, es kommt noch härter für die arme Anastasia. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn schon bald stellt sich heraus, dass ihr Lover dunkle Sehnsüchte hat, sprich sie sexuell dominieren will.

Ana ist hin- und her gerissen zwischen Anziehung und Ablehnung, und da sie ihre eigenen Grenzen noch nicht kennt, ist sie zuweilen überfordert. Hinzu kommt noch, dass Christian Grey natürlich nur zum "Dom" geworden ist, weil er in seiner Kindheit misshandelt wurde. Die schlimme Kindheit macht ihn zum Ober-Kontrollfreak, und Ana ist hartnäckig genug, um der Sache auf den Grund zu gehen und ihren "50 Shades", wie sie ihn nennt, mit der Kraft ihrer Liebe zu befreien.

Ja, das meine ich jetzt genau so schnulzig, wie das klingt. Denn auch wenn vermutlich die durchaus deftigen Sexszenen ein Kaufanreiz sein mögen, so ist wohl die Romanze zwischen den beiden ungleichen Partnern das, was einen weiterlesen lässt. Ein bisschen Cinderella, eine Portion "My fair Lady" und noch ein bisschen Twilight, fertig ist die Trilogie. Es wäre zu einfach, das Ganze zu verreißen. E. L. James wollte mit Sicherheit nichts anderes als gute Unterhaltung zu schreiben, und ehrlich gesagt, gelingt ihr das durchaus. Das hier ist keine gute Literatur, aber sie ist keine schlechte Erzählerin (wenn man von einigen Wiederholungen mal absieht). Sie sagt das sogar über sich selbst in Interviews und kommt dabei ausgesprochen ehrlich und sympathisch rüber. Und mal ehrlich, Anleihen aus anderen Werken der Literatur sind auch nichts Ehrenrühriges, so lange es sich nicht um ein Plagiat handelt.

Man kann und sollte kritisieren, dass Ana ebenso wie Bella eine Heldin ist, die einen "starken Mann"; einen Beschützer sucht statt sich auf sich selbst zu verlassen. Dass frau sich von Zeit zu Zeit in der Fluffigkeit solcher Vorstellungen verlieren mag, ist ja nichts Neues, schließlich lesen wir seit Jahrhunderten mit Begeisterung Jane Austen, aber es macht mich schon nachdenklich, dass solche "Heldinnen" derzeit in Mode sind. Weiterhin ging mir die leichte Pathologisierung von BDSM auf die Nerven. Also dass der arme misshandelte Christian seine Dominierungstendenzen als Krücke benutzt, bevor er lernt, "richtig" zu lieben. Hier gibt es sicherlich auch noch mehr als fünfzig andere Schattierungen dieser Spielart und da soll nun wirklich jeder nach seiner Fasson und ohne Vorverurteilung glücklich werden.

Im prüden Amerika soll das Buch auf viele Frauen ausgesprochen "inspirierend" gewirkt haben und in den Ehebetten scheint's grade richtig abzugehen, wenn man der Presse Glauben schenkt. "50 Shades of Grey" bekam dort das böse Label "mommy porn" aufgedrückt. Nun ja. Alle beteuern, dass sie es schlecht finden, aber irgendwo müssen die Verkaufszahlen herkommen...Und ach ja, die Filmrechte sind auch schon verkauft.



"50 Shades of Grey" ist ein klassisches Beispiel für "guilty pleasures" - man weiß ja auch, dass eine ganze Tafel Schokolade auf einmal nicht gut ist, aber manchmal...

Die Trilogie wird ab Juli 2012 auch bei uns in Deutschland erhältlich sein. Ich bin gespannt, ob die deutschen Frauen genauso darauf abfahren. Ob's einen Medienhype gibt oder ob er verpufft.
Ich habe das ja auch nur gelesen, damit ich dann mitreden kann *fg*...ganz im Sinne der Wissenschaft.


Sonntag, 15. April 2012

Buchberatung bei Youtube

Ein noch relativ neuer literarischer Podcast zum Gucken und Weitersagen:

Paris - ein Fest auch für Hemingways Frau?

"Paris", das sei ein "Fest fürs Leben", schrieb Hemingway über seine jungen, wilden Jahre als noch relativ unbekannter, aufstrebender Schriftsteller zwischen all denen, die es schon geschafft hatten. Paris in den wilden 20er und 30er Jahren, das war die Heimat vieler amerikanischer Auswanderer und ein Schmelztiegel von Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt. Wer hier an die Frauen von der Left Bank denkt, der liegt genau richtig: Erfolgreiche Frauen tummelten sich hier reichlich, und sie waren nicht bloß Ehefrauen und Geliebte, sondern selbst Schriftstellerinnen, Mäzeninnen oder Buchhändlerinnen. Sie hatten Einfluss.

Während der junge Ernest im Paris der Vorkriegszeit so richtig aufblüht und an seiner Karriere bastelt, ist Hadley zerrissen zwischen tradionellem Frauenbild und Moderne, zwischen Heimweh nach Amerika und der Faszination der französischen Stadt. Die leidenschaftliche Liebesgeschichte zwischen zwei leidenschaftlich Liebenden hat zwar leider kein gutes Ende (wie wir ja von vornherein wissen), aber sie ist trotzdem etwas ganz Besonderes.

Paula McLains Roman "Madame Hemingway", im englischen Original "The Paris Wife" ist ein historischer Roman, keine Biographie. Ein Roman, der mich sofort in seinen Bann gezogen hat und der übrigens durchaus nicht voraussetzt, dass man literaturgeschichtliche Grundkenntnisse über Hemingway und seine Weggefährten mitbringt. Im Gegenteil, man kann sich einfach mitreißen lassen in diese Zeit und die Figuren auch als fiktiv begreifen. Im Grunde sind sie das ja auch, fiktive Annahmen über Figuren, die es tatsächlich gegeben hat.

Soweit nichts Neues. Doch "Madame Hemingway" ist weit mehr als eine Romanbiographie, sondern gleichzeitig ein farbenprächtiger Schmöker über eine Zeit, die so widersprüchliche und lebenshungrige Charaktere hervorgebracht wie vielleicht keine vor ihr. Sprachlich nicht zu schwierig, ist auch die englische Originalausgabe gut und flüssig lesbar - und daher besonders empfehlenswert für alle, die mal wieder ein englisches Buch im Original lesen möchten.

Das Buch ist in deutscher Übersetzung bei Aufbau erschienen (ISBN 9783351033583, 19,99 €), auf Englisch gibt es den Roman schon als günstiges Taschenbuch.

Dienstag, 13. März 2012

Sabines Quickies: 2 x leichte Frauenlektüre mit Herz und Hirn

Kristín Marja Baldursdóttir: Hinter fremden Türen Was ist denn eigentlich ein schönes Leben? Kolfinna läuft etwas planlos durchs Leben, wie viele ihrer Generation. Und kennen wir sie nicht alle, die Besserwisser, die ihr vorhalten, warum sie nichts auf die Reihe bekommt? Und überhaupt, ist das eigentlich wichtig? Nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten und einer Kündigung zieht die 29jährige wieder bei ihrer Mutter ein und hat einige Mühe, sich wieder auf eigene Füße zu stellen. Dabei übernimmt den Putzjob ihrer schwangeren Freundin und schaut sich die Leben der Reichen und Erfolgreichen an, bei denen sie putzt. Aber ob sie hier Antworten findet? Intelligenter und humorvoller Frauenroman ohne die üblichen Klischees, für die Generation der "um die 30jährigen", aber auch für ihre Mütter. Kolfinna gibt es überall - nicht nur in Island. ***************************************************************************** Frédérique Deghelt: Die Liebe der anderen Eine leidenschaftliche Liebesnacht mit dem neuen Freund und der vermeintliche Morgen danach: Durch eine Amnesie kann sich Marie nicht an die zwölf dazwischen liegenden Ehejahre mit dem Mann erinnern, der neben ihr liegt. Auch nicht an ihre drei Kinder und das Leben, das sie geführt hat. Nach und nach fügt sie das Puzzle ihres Lebens wieder zusammen, was allerlei Erfindungsreichtum erfordert, da sie sich zunächst nur ihrer besten Freundin anvertraut. Unterhaltsam und temporeich geschrieben, regt die Lektüre dennoch zum Nachdenken an. Was weiß das Unterbewusste, auch wenn wir uns nicht erinnern? Würden wir uns ein zweites Mal in den eigenen Partner verlieben oder bleibt er einem fremd? Sind Muttergefühle etwas Instinktives? Und inwieweit hat man sich eigentlich selbst verändert? Man möchte nicht in Maries Haut stecken, doch ihre Reise zu sich selbst lässt einen nicht unberührt. Das Buch wird demnächst mit Audrey Tautou verfilmt. Schnell vorher noch selbst lesen - das Buch ist ja meistens besser als der Film...

Montag, 12. März 2012

Reise, aber weise: Wie Städte und Länder "ticken"

Heute möchte ich Euch zwei Reihen vorstellen, die einerseits eine ähnliche Zielgruppe ansprechen, andererseits aber auch sehr unterschiedlich gestaltet sind. Nachdem Reiseführer ja schon fast totgesagt waren, stellen in den letzten Jahren immer mehr Menschen fest, dass sie zusätzlich zum Navi doch gern ein paar Informationen über Land und Leute hätten. Neben den klassischen Reiseführern haben sich mittlerweile einige Reihen auf dem Markt etabliert, die einen etwas anderen Blick über den touristischen Tellerrand wagen. Zwei davon möchte ich Euch heute vorstellen: Die "Gebrauchsanweisungen" aus dem Piper Verlag und die "111 Orte" von Emons. Auch wenn die Gebrauchsanweisungen mit ebensolchen "Anleitungen" zum Entdecken verschiedenster Regionen, Städte und Länder animieren, sind beide Reihen schwerpunktmäßig für Städte-und Kulturreisende geeignet. Um Euch an anschauliches Bild dieser Reihe zu vermitteln, habe ich mir exemplarisch je einen Titel herausgepickt: Beginnen wir mit der "Gebrauchsanweisung für Münster und das Münsterland" von Jürgen Kehrer. Jürgen Kehrer, Moment mal, kennen wir den? Vielleicht nicht, wenn Ihr nicht aus der Gegend stammt, doch Ihr kennt sicher seines Geistes berühmtestes Kind, den Münster-Krimi-Detektiv Wilsberg. Jürgen Kehrer ist neben seiner Schriftstellertätigkeit Uniprofessor in der urigen Studentenstadt und führt uns literarisch kompetent durch "sein" Münster und die schlösserreiche Umgebung, in der man sich schon zu Droste-Hülshoffs Zeiten gern bei guter Kriminalliteratur gegruselt hat. Das liest sich ungemein angenehm in einem Rutsch durch und versetzt uns gewissermaßen schon mal in die notwendige Stimmung für das, was wir im Münsterland alles entdecken können. Genauere Angaben zu Sehenswürdigkeiten und Adressen von Hotels oder Cafés suchen wir hier aber weitestgehend vergebens. Die "Gebrauchsanweisungen" sind von Flaneuren für Flaneure geschrieben, und als solche funktionieren sie erstaunlich gut. Ich muss schließlich nicht unbedingt ein genaues Ziel vor Augen haben, wenn ich durch die Gassen wandere und mir die von Studenten und Drahteseln geprägte Stadt zueigen zu machen. Die "Gebrauchsanweisungen" geben eigentlich keine Anweisungen. Sie inspirieren und machen Lust auf eine Stadt, ein Land, eine Region. Und sie beschönigen auch nichts. Nun, vielleicht dann, wenn der Autor mal ins Schwärmen gerät. Doch er hält auch mit Kritik nicht hinterm Berg und verschweigt nicht, dass wir uns hier nicht in Berlin befinden, wo das Leben 24/7 pulsiert, bis der Arzt kommt. Gebrauchsanweisungen dieser Art gibt es beim Piper Verlag inzwischen an die 100 Stück . Beispielhaft seien folgende Reiseziele genannt: Eifel, Bretagne, USA, Island, Berlin, München, Freiburg und der Schwarzwald. Fast alle sind von namhaften Autorinnen und Autoren verfasst worden, was sie in der Regel zu einem Lesegenuss macht. Natürlich wird hier eine höchst subjektive Sichtweise vertreten, aber das macht es gerade spannend und lädt eben dazu ein, selbst mal "vom Weg abzukommen", um dabei Neues zu entdecken. Die "Nützlichkeit" ist sicher von Fall zu Fall verschieden, der Unterhaltungswert je nach Schreibstil des Autors auch, und dennoch: Die Reihe ist empfehlenswert.
Kommen wir zu der etwas neueren Reihe aus dem emons Verlag. Emons hat seinen Sitz in Köln und spezialisiert sich auf sogenannte Regionalkrimis, die immer beliebter werden. Statt sich jedoch auf eine bestimmte Region zu beschränken, will emons "weltweit regional" sein, so der Slogan. Der Brückenschlag zum Sachbuch und zum Reiseführer wurde mit der Reihe "111 Orte" versucht, von der zur Zeit 23 unterschiedliche Titel lieferbar sind. Die meisten sind in Deutschland angesiedelt oder *hüstel* gewissermaßen, denn Mallorca ist auch dabei...Die emons-Autoren sind also lokaler, "kleinschrittiger" unterwegs, bis hinein in tiefste Provinz, wenn's sein muss. Sie haben auch meistens einen Fotoapparat dabei, das unterscheidet sie von den Piper-Autoren. Trotzdem sind die bunten Bilder ganz anders als die, die wir üblicherweise aus Reiseführern kennen. Auf je einer Doppelseite wird ein Ort plus Bild vorgestellt, und ich kann nur sagen: Manches ist schon sehr schräg. Dennoch lädt der Text inclusive Adressen und sonstigen Informationen zur Nachahmung ein. So manches wird man sich hier rauspicken, anderes vielleicht doch nur lesen und staunen. Wusstet Ihr zum Beispiel, wie man zum Geisterbahnhof in der Berliner Siemensstadt kommt? Oder dass am Prenzlauer Berg Bäume stehen, in denen Bücher "wachsen"? Ihr seht, ich habe mir hier das Buch über die Hauptstadt vorgenommen. Hier gibt's übrigens eine Leseprobe, die auch das Design besser beschreibt, als ich es könnte: 111 Orte in Berlin. Aber ich versuchs dennoch: Die "111 Orte" wirken durch die stylishen Bilder und die kurzen, prägnanten Texte dazu. Für Leute, die lieber stöbern und blättern statt sich in ein Buch zu vertiefen, sind sie eher geeignet, aber sie verlangen dem Leser und Betrachter auch einen aufgeschlossenen Blick ab. So mancher mag vielleicht auch sowieso meinen: Ich muss überhaupt gar nichts, schon gar nicht gerade diese 111 Orte sehen. Oder andere, zum Kuckuck. Stimmt. Das alles sind und bleiben appetitliche kleine Großstadt-oder Provinzhäppchen mit passendem Serviervorschlag. Na und? Es macht trotzdem Spaß, darin zu blättern. Für 14,99 € (Piper) bzw. 14.95 € (emons) bekommt Ihr einen stabilen, aber flexiblen Einband und eine sehr unterschiedliche, aber doch bei beiden recht schöne Gestaltung. Ich persönlich finde die "Gebrauchsanweisungen" gehaltvoller, zumal manche allein schon aufgrund der illustren Autorennamen neugierig machen: Birgit Vanderbeke zeigt uns Südfrankreich, Heinrich Steinfest führt uns durch Österreich und kein Geringerer als der Kabarettist Bruno Jonas spottet liebevoll über "sein Bayern". Doch aufgrund der regionalen und deutschlandbezogenen Schwerpunkte kann man sicher auch auf mehr aus der "111 Orte"-Reihe gespannt sein. Und ganz nebenbei: Beide Reihen sind nicht nur was für Reisende. Zum einen kann man damit auch prima die eigene Heimat "neu" entdecken und zum anderen ist ja auch gegen die berühmte "Reise mit dem Finger auf der Landkarte" nichts einzuwenden.
Lucia Jay von Seldeneck, Carolin Huder: 111 Orte in Berlin, die man gesehen haben muss, emons 2011, ISBN 9783897058538, 14,95 € Jürgen Kehrer: Gebrauchsanweisung für Münster und das Münsterland, Piper 2011, 9783492276054, 14,99 €