Montag, 30. April 2012

Next big thing. Really?

Sex sells. Doch in virtuellen Zeiten hat uns so mancher Schlussverkauf der Begehrlichkeiten abgestumpft und gleichgültig gemacht. Schon wieder ein erotischer Bestseller? Gähn. What else is new?

Das Rad neu erfunden hat E.L. James auch wahrlich nicht mit ihrer Trilogie, die in den USA eingeschlagen hat wie eine Bombe. Im Gegenteil: Teile des Plots dürfte vielen Leuten ziemlich bekannt vorkommen, und das ist kein Zufall. Die "50 Shades"-Trilogie wurde zuerst im Internet als Twilight-Fanfiction veröffentlicht. Nach gründlicher Überarbeitung der Charaktere und des Plots hat die Autorin für ihr Werk einen kleinen australischen Verlag gefunden. Mit einem solchen Erfolg hatte natürlich keiner gerechnet. Wieder einmal eine Erfolgsgeschichte, wie sie heutzutage nur die neuen Medien schreiben.

Twilight ohne Vampire und dafür aber mit Sex - das klingt ja durchaus verlockend. Was im ersten Twilight-Band noch charmant und durchaus erotisch daher kommt, hat mich in Band 2 schon manchmal ganz schön genervt. Wer wollte nicht dem guten Edward entgegen aller politischen Korrektness vorschlagen, Bella mal das Hirn rauszuf...*piep*, nur um nachzuschauen, ob sie auch eins hat? Wer vor lauter Fixiertheit auf seinen Vampirlover vergisst zu atmen, bei dem ist vermutlich die eine oder andere Synapse locker.

Doch lassen wir Bella und Edward mal außen vor. "50 Shades of Grey" erzählt schließlich von Anastasia Steel und Christian Grey. Sie ist süße 21 und noch Jungfrau, als die beiden sich zum ersten Mal treffen. Christian ist 27 und schon ein megareicher Geschäftsmann. Ana soll ihn für die Studentenzeitung interviewen und schlägt sich dabei eher schlecht als recht. Ihre natürlicher Charme jedoch bezirzt den bisher emotional Unnahbaren, coolen Christian, für den Liebe bisher ein Fremdwort war. Wir ahnen, wo uns das hinführt. Nun, es kommt noch härter für die arme Anastasia. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn schon bald stellt sich heraus, dass ihr Lover dunkle Sehnsüchte hat, sprich sie sexuell dominieren will.

Ana ist hin- und her gerissen zwischen Anziehung und Ablehnung, und da sie ihre eigenen Grenzen noch nicht kennt, ist sie zuweilen überfordert. Hinzu kommt noch, dass Christian Grey natürlich nur zum "Dom" geworden ist, weil er in seiner Kindheit misshandelt wurde. Die schlimme Kindheit macht ihn zum Ober-Kontrollfreak, und Ana ist hartnäckig genug, um der Sache auf den Grund zu gehen und ihren "50 Shades", wie sie ihn nennt, mit der Kraft ihrer Liebe zu befreien.

Ja, das meine ich jetzt genau so schnulzig, wie das klingt. Denn auch wenn vermutlich die durchaus deftigen Sexszenen ein Kaufanreiz sein mögen, so ist wohl die Romanze zwischen den beiden ungleichen Partnern das, was einen weiterlesen lässt. Ein bisschen Cinderella, eine Portion "My fair Lady" und noch ein bisschen Twilight, fertig ist die Trilogie. Es wäre zu einfach, das Ganze zu verreißen. E. L. James wollte mit Sicherheit nichts anderes als gute Unterhaltung zu schreiben, und ehrlich gesagt, gelingt ihr das durchaus. Das hier ist keine gute Literatur, aber sie ist keine schlechte Erzählerin (wenn man von einigen Wiederholungen mal absieht). Sie sagt das sogar über sich selbst in Interviews und kommt dabei ausgesprochen ehrlich und sympathisch rüber. Und mal ehrlich, Anleihen aus anderen Werken der Literatur sind auch nichts Ehrenrühriges, so lange es sich nicht um ein Plagiat handelt.

Man kann und sollte kritisieren, dass Ana ebenso wie Bella eine Heldin ist, die einen "starken Mann"; einen Beschützer sucht statt sich auf sich selbst zu verlassen. Dass frau sich von Zeit zu Zeit in der Fluffigkeit solcher Vorstellungen verlieren mag, ist ja nichts Neues, schließlich lesen wir seit Jahrhunderten mit Begeisterung Jane Austen, aber es macht mich schon nachdenklich, dass solche "Heldinnen" derzeit in Mode sind. Weiterhin ging mir die leichte Pathologisierung von BDSM auf die Nerven. Also dass der arme misshandelte Christian seine Dominierungstendenzen als Krücke benutzt, bevor er lernt, "richtig" zu lieben. Hier gibt es sicherlich auch noch mehr als fünfzig andere Schattierungen dieser Spielart und da soll nun wirklich jeder nach seiner Fasson und ohne Vorverurteilung glücklich werden.

Im prüden Amerika soll das Buch auf viele Frauen ausgesprochen "inspirierend" gewirkt haben und in den Ehebetten scheint's grade richtig abzugehen, wenn man der Presse Glauben schenkt. "50 Shades of Grey" bekam dort das böse Label "mommy porn" aufgedrückt. Nun ja. Alle beteuern, dass sie es schlecht finden, aber irgendwo müssen die Verkaufszahlen herkommen...Und ach ja, die Filmrechte sind auch schon verkauft.



"50 Shades of Grey" ist ein klassisches Beispiel für "guilty pleasures" - man weiß ja auch, dass eine ganze Tafel Schokolade auf einmal nicht gut ist, aber manchmal...

Die Trilogie wird ab Juli 2012 auch bei uns in Deutschland erhältlich sein. Ich bin gespannt, ob die deutschen Frauen genauso darauf abfahren. Ob's einen Medienhype gibt oder ob er verpufft.
Ich habe das ja auch nur gelesen, damit ich dann mitreden kann *fg*...ganz im Sinne der Wissenschaft.


Mittwoch, 18. April 2012

Kängt ein Guru


Mit dem Humor ist es ja so eine Sache. Nicht jeder hat ihn, und was den einen zum Lachen reizt, entlockt jemand anderem nicht einmal ein müdes Grinsen. Deshalb gehört es zu den schwierigsten Herausforderungen überhaupt, lustige Bücher zu empfehlen. Wirklich lustige Lektüre, die dazu noch einigermaßen intelligent geschrieben ist, gehört aber auch schon wieder zu den seltenen Glücksfällen.

Ansichten eines vorlauten Beuteltiers


Marc-Uwe Kling ist so einer. Kein Neuling, seine Bücher sind schon "Kult" sozusagen und die Figur, um die sich alles dreht, eine so genannte "Kultfigur". Kling geht mit einem ganzen Kabarettprogramm auf Reisen, bei dem das Känguru eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Auf den ersten Blick war ich ein wenig amüsiert, aber nicht übermäßig begeistert. Doch Klings anarchische Geschichten von einer echten "Männerfreundschaft" zwischen dem kommunistischen Känguru und dem Erzähler schleichen sich unermüdlich Richtung Zwerchfell und irgendwie auch ins Herz. Und dann, dann kann man auf einmal nicht mehr aufhören, sich über eine Episode nach der anderen kaputt zu lachen. Weil die Kapitel so schön kurz sind, kann man sie sich auch prima gegenseitig vorlesen - oder man kauft sich gleich das Hörbuch und lässt es den Autoren selbst tun. Marc-Uwe Kling ist ein großartiger Vorleser und verleiht dem Känguru gleich eine ganz eigene Stimme.

Es gibt zwei Bände, Teil 1: Die Känguru-Chroniken und Teil 2: Das Känguru-Manifest, beide als Taschenbuch bei Ullstein.

Der Humor ist schräg und skurril, aber hintergründig und manchmal sogar erstaunlich kritisch. Das Känguru ist natürlich der Hit schlechthin, und es ist kein Wunder, dass das Buch den Literaturpreis der Ullstein-Verlage in der Kategorie "Sprechende Tiere" gewonnen hat ;o)...

Zum Abschluss nochn Gedicht von Joachim Ringelnatz, weil es so schön zum Thema Humor und Kängurus passt:

Abendgebet einer erkälteten Negerin*




Joachim Ringelnatz 1883-1934

Ich suche Sternengefunkel.
Sonne brennt mich dunkel.
Sonne drohet mit Stich.
Warum brennt mich die Sonne im Zorn?
Warum brennt sie gerade mich?
Warum nicht Korn?
Ich folge weißen Mannes Spur.
Der Mann war weiß und roch so gut.
Mir ist in meiner Muschelschnur
So neglige zu Mut.
Kam in mein Wigwam
Weit über das Meer,
Seit er zurückschwamm,
Das Wigwam
Blieb leer.
Drüben am Walde
Kängt ein Guruh -
Warte nur balde
Kängurst auch du.

*nicht politically correct



Sonntag, 15. April 2012

Buchberatung bei Youtube

Ein noch relativ neuer literarischer Podcast zum Gucken und Weitersagen:

Paris - ein Fest auch für Hemingways Frau?

"Paris", das sei ein "Fest fürs Leben", schrieb Hemingway über seine jungen, wilden Jahre als noch relativ unbekannter, aufstrebender Schriftsteller zwischen all denen, die es schon geschafft hatten. Paris in den wilden 20er und 30er Jahren, das war die Heimat vieler amerikanischer Auswanderer und ein Schmelztiegel von Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt. Wer hier an die Frauen von der Left Bank denkt, der liegt genau richtig: Erfolgreiche Frauen tummelten sich hier reichlich, und sie waren nicht bloß Ehefrauen und Geliebte, sondern selbst Schriftstellerinnen, Mäzeninnen oder Buchhändlerinnen. Sie hatten Einfluss.

Während der junge Ernest im Paris der Vorkriegszeit so richtig aufblüht und an seiner Karriere bastelt, ist Hadley zerrissen zwischen tradionellem Frauenbild und Moderne, zwischen Heimweh nach Amerika und der Faszination der französischen Stadt. Die leidenschaftliche Liebesgeschichte zwischen zwei leidenschaftlich Liebenden hat zwar leider kein gutes Ende (wie wir ja von vornherein wissen), aber sie ist trotzdem etwas ganz Besonderes.

Paula McLains Roman "Madame Hemingway", im englischen Original "The Paris Wife" ist ein historischer Roman, keine Biographie. Ein Roman, der mich sofort in seinen Bann gezogen hat und der übrigens durchaus nicht voraussetzt, dass man literaturgeschichtliche Grundkenntnisse über Hemingway und seine Weggefährten mitbringt. Im Gegenteil, man kann sich einfach mitreißen lassen in diese Zeit und die Figuren auch als fiktiv begreifen. Im Grunde sind sie das ja auch, fiktive Annahmen über Figuren, die es tatsächlich gegeben hat.

Soweit nichts Neues. Doch "Madame Hemingway" ist weit mehr als eine Romanbiographie, sondern gleichzeitig ein farbenprächtiger Schmöker über eine Zeit, die so widersprüchliche und lebenshungrige Charaktere hervorgebracht wie vielleicht keine vor ihr. Sprachlich nicht zu schwierig, ist auch die englische Originalausgabe gut und flüssig lesbar - und daher besonders empfehlenswert für alle, die mal wieder ein englisches Buch im Original lesen möchten.

Das Buch ist in deutscher Übersetzung bei Aufbau erschienen (ISBN 9783351033583, 19,99 €), auf Englisch gibt es den Roman schon als günstiges Taschenbuch.

Sonntag, 1. April 2012

Juist literarisch

Ich habe gerade eine wunderbare Woche auf der Insel Juist verbracht. So sehr ich es auch warm und sommerlich mag, zieht es mich ja immer wieder magisch an die Nordsee. Auch wenn es dort um diese Jahreszeit noch kalt und windig ist, so scheint doch die Sonne schon kräftig und man kriegt am Strand so richtig den Kopf frei gepustet.

Wenn man sich die ganzen Nordseekrimis anschaut, speziell diejenigen, die auf einer Insel spielen, dann ist es eigentlich erstaunlich, dass man sich dort noch allein an den Strand traut... Die Realität, wie wir Nordseefans wissen, ist in der Regel friedlich und friesisch gemütlich, zuweilen etwas verschnarcht, aber stets liebenswert. Da es uns aber zu Tee und Kluntje nach einer wohlig-schaurigen Krimilektüre gelüstet, haben die Inselkrimis so viel Erfolg.

Juist ist ein Eiland, das diesbezüglich schon eine längere Tradition auf dem Buckel hat. Zu verdanken ist dies sicherlich vor allem Sandra Lüpkes, die sich auch mit überregionalen Krimis einen Namen gemacht hat. Inzwischen hat das kleine Eiland ein eigenes Krimifestival und lädt hierzu regelmäßig Schriftsteller/innen zum Schreiben auf der Insel ein. Den Rest des Jahres verbringen wir lesend im Strandkorb und lauschen den Wellen. Wandeln durch die endlosen Dünen und fühlen uns vielleicht ebenfalls inspiriert. Von meiner literarische Spurensuche durch Juist habe ich noch ein paar mehr Fundstücke mitgebracht. Zum einen liegt auf dem evangelischen Friedhof die Kinderbuchautorin Hilke Rosenboom begraben. Die 1957 auf Juist geborene Autorin hat eine Reihe ganz wunderbarer, oft sehr maritim geprägter und humorvoller Kinderbücher hinterlassen, die sich zu entdecken lohnen. Eine Leseprobe gibt es hier: klick
Eine schöne Idee begegnete mir mitten in den Dünen, an einem malerischen Weiher, den die Insulaner in dieser Jahreszeit sogar mit Ostereiern geschmückt hatten.

Gleich ein ganzes Dutzend Bänke mit literarischen und philosophischen Zitaten zum Lust-Wandeln und Nachdenken. Wenn man mag. Ansonsten ja auch eine schöne Idee, wenn man die Urlaubslektüre mal vergessen hat ;o)...
P.S.: Meine eigene Urlaubslektüre hatte wiederum nichts mit der Insel zu tun. Mehr dazu später...

P.P.S.: Was sind Eure liebsten Inselbücher?