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Sonntag, 12. August 2012

Von Früchten, Früchtchen und Fruchtbarkeit

 Männer riechen nach Apfel. 
So empfindet es Henrike, und lässt sich, obwohl sie doch eine Lesbe ist und in einer festen Beziehung lebt, auf allerlei merkwürdige Abenteuer ein, bis sie auf den Trichter kommt, dass ihr fruchtiger Appetit auf das andere Geschlecht mit ihrer Fruchtbarkeit zu tun hat. Ein Kinderwunsch, der so physisch und dringlich wird wie Hunger oder Durst.

Was tun, wenn es mit der Partnerin ohnehin gerade kriselt und letztere mit Kindern nicht viel anfangen kann? Woher Samen nehmen oder doch stehlen? Eine mehrjährige Odyssee beginnt, und Henrike und Judith, das Langzeitpaar, schaffen es trotz aller Widrigkeiten, zusammen zu bleiben und zu lernen, wie man eine Familie wird.

„Apfelduft“ ist zum einem ein stark autobiographischer Unterhaltungsroman. Zum anderen ist es ein lesbischer Lebensentwurf von heute – ein Buch, das den Alltag einer so genannten alternativen Familie so zeigt, wie er eben ist: meistens überraschend unspektakulär und ganz bestimmt nicht ohne Kompromisse. .Der Weg dorthin, nun gut, er ist auch heute noch steinig, aber machbar.

Auch der realistische und doch zärtliche Blick auf eine Langzeitbeziehung zwischen zwei eigenwilligen Frauen hat mir sehr gut gefallen.

Frauenlektüre, klarer Fall. Aber: Muss frau das lesen? Nun, für Lesben mit Kinderwunsch ist es sicherlich eines der besten Bücher auf dem Markt derzeit, und das obwohl es eigentlich ein Roman ist. Für Lesben ohne Kinderwunsch oder solche, die sich da noch nicht ganz sicher sind, ist das Buch allemal eine unterhaltsame und erhellende Lektüre darüber, wie es sein könnte. Für Nicht-Lesben ist es sicherlich auch ganz erhellend, vor allem für junge und werdende Mütter.

 Ein paar Dinge fand ich so unglaublich, dass sie vermutlich wahr sind. Der Rest ist vermutlich auch sehr nah dran am Leben. Da stört dann auch das letzte Kapitel nicht so sehr, in dem die Autorin noch ein wenig ins Schwadronieren gerät über das, was Mütter und Nicht-Mütter auf ewig voneinander trennen wird und darüber, dass viele Lesben so kinderfeindlich sein, weil sie Bitterkeit in sich tragen, selbst keine Kinder bekommen zu haben. Darüber kann man mal nachdenken und meinetwegen auch diskutieren, aber nicht im Epilog eines Romans. 

224 Seiten, Klappenbr., Fadenheftung, 9,90, ISBN 978-88769-735-8 .

Samstag, 26. Mai 2012

Lust 2.0 - Über das Begehren im Internetzeitalter




Klarer Fall von Binsenweisheit: Im Internet gibt es nichts, was es nicht gibt, schon gar nicht im Hinblick auf Sex. Meistens wird das mit einem gewissen Bedauern beäugt, weil die jetztigen und nachfolgenden Generationen wohl nie wieder so „unschuldig“ mit dem Thema Sexualität umgehen werden wie wir Thirtysomethings von heute vielleicht gerade noch so eben (bei uns hieß es immerhin auch schon, dass das Privatfernsehen und die Werbung uns „verdorben“ haben, aber wer hätte geahnt, wie harmlos das alles noch war...). Gleichwohl, wenn man drüber nachdenkt, war früher nun wirklich nicht alles besser, ganz bestimmt nicht in sexueller Hinsicht. Ein Beispiel: Wer noch in den 80er und den frühen 90er Jahren sein Coming Out als Schwuler oder als Lesbe hatte, fühlte sich in der Regel allein mit sich und diesen Gefühlen. Heutzutage ist es relativ einfach, an Informationen zu kommen und Kontakte zu knüpfen. Dass daran natürlich auch wieder ganz neue Gefahren gekoppelt sein können, lassen wir mal außenvor.

Kurz gesagt: Das Medium als solches bringt weder per se Schlechtes noch durchweg Gutes zutage, aber es hat die Welt verändert. Und während früher Scham und Scheu der Probanden Untersuchungen über Sexualität beeinflusst haben, haben sich die beiden Neurobiologen Sai Gaddam und Ogi Ogas repräsentativerer Quellen wie z.B. der Suchwörter im Internet bedient, um ihre Thesen zu untermauern. Das Ergebnis ist der vermutlich umfassendste Versuch, die Beschaffenheit des menschlichen Begehrens zu begreifen.

Ein wenig habe ich ja befürchtet, dass ich mich über dieses Buch ärgern würde. Denn oftmals sind mir soziobiologistische Forschungsergebnisse zu sehr den Geschlechterklischees aus der Steinzeit verhaftet. Daran ist meiner Meinung nach nicht die Biologie an sich schuld, sondern der Wissenschaftler, oftmals männlich, der hier die Rückschlüsse zieht. Es ist eine Sache, unsere Hormone für etwas verantwortlich zu machen, und eine andere, Geschlechterzuordnungen durch Steinzeitklischees derart zu zementieren, dass es in der heutigen Welt absurd erscheint.

Erfreulicherweise wird hier sehr wenig und sehr vorsichtig gewertet - schon gar nicht moralisch -  und im Vorwort betont, dass Statistiken immer nur Durchschnittswerte wiedergeben und nicht auf jedes Individuum zutreffen (gut, auch das ist zwar wieder eine Binsenweisheit, sollte man meinen, doch erinnere ich mich noch ungern und lebhaft an die begeisterten Leserinnen und Leser des Ehepaars Pease, die uns auf achso unterhaltsame Weise weismachen wollten, dass Männer nicht zuhören können und Frauen schlecht einparken, weil das schon in der Steinzeit so war. Also jedenfalls seit Steinzeitautos gab. Wahrscheinlich.)

Nun finde ich es interessant, dass ausgerechnet ein Autorenteam, das aus zwei Männern besteht, sich nicht damit abfindet, die riesengroße Porno-Männerwelt zu untersuchen und das weibliche Begehren damit unter „ferner liefen“ behandeln. Ich hätte mich nicht darüber gewundert, und vielleicht nicht mal auf den ersten Blick darüber geärgert, wenn es so gewesen wäre, denn die eher männlich geprägte Pornoindustrie ist es ja, die uns die ganze Zeit anschreit „Klick! Mich! An!, die allgegenwärtigen Pop-Up-Fenster und blinkenden Seitenbalken mit nacktem Fleisch.

Doch die Suchwörter geben ein relativ geschlechtsneutrales Bild ab, in der auch Frauen nach expliziten Inhalten suchen, nur eben anders. Und hier wird’s dann richtig interessant, finde ich. Viele Frauen, das weiß man ja, können mit „klassischer“ Pornographie nichts anfangen. Auch dann nicht, wenn das „Objekt“ ein Mann ist. Gleichwohl haben auch die wohlwollenden feministischen Ansätze mit Plot oder Kuschelszenen nur bei wenigen ein Prickeln erzeugt. Dass Frauen im Durchschnitt das geschriebene Wort bevorzugen, dass es dabei aber auch ruhig heftig zur Sache und vor allen Dingen ins Detail gehen darf, dürfte vielleicht einige überraschen. Weiterhin berichten die Autoren in diesem Zusammenhang über das Phänomen der Fanfiction und Erotic Romance Novels, deren Beliebtheit in den letzten Jahren durch das Internet geradezu explodiert ist – bei einem zu nahezu 100% weiblichen Publikum. Noch interessanter, dass auch Leserinnen und Autorinnen auch dann noch überwiegend weiblich sind, wenn es um Sex zwischen zwei Männern geht. In der so genannten „Slash“ Fanfiction nimmt sich frau dafür in der Regel zwei heterosexueller Charaktere vor und „dichtet“ ihnen eine Romanze an. In der Sprache dieser erotischen Geschichten fällt vor allem die Introspektive auf, der Blick auf die innersten Empfindungen der Protagonisten. Aber Vorsicht Vorurteile, hier wird nicht bloß gekuschelt: Dabei kann es sich um subtile Romanzen handeln oder um BDSM-Beziehungen.

Dass Männer Sex zwischen Frauen erotisierend finden, ist ja bekannt. Der „Kick“ liegt in beiden Fällen in der Verdopplung der Reize, heißt es.

Bei Frauen stellen die Autoren weiterhin fest, dass „wir“ differenzieren können zwischen physischer und psychischer Lust, während Männer da wohl tatsächlich etwas geradliniger gestrickt sind, wenn das Blut erst mal woandershin geflossen ist...Diese Diskrepanz ist wohl der Grund, weshalb es bisher noch kein wirksames Viagra für Frauen gibt.

Doch auch der Mann ist in seinem Begehren ein komplexeres Wesen, als man aufgrund der üblichen Klischees vermuten könnte. So ziehen die Herren der Schöpfung übergewichtige Frauen untergewichtigen vor, stehen auf ältere („MILFs“) und „besinnen“ sich neuerdings auf weniger durchgestylte Filme aus den 50er und 60er Jahren, die offensichtlich authentischer rüberkommen.

Da fällt mir auf: Auch wenn das Internet ein ganzes Panoptikum von Perversionen anbietet, so wirkt der anonyme Blick auf die Vorlieben der Massen wiederum geradezu...nun ja, durchschnittlich. Das hat doch irgendwie was Erfrischendes.

Der Titel schreit einem aus Bild-Zeitungs-Lettern entgegen „Klick!Mich!An!“. Im Original heißt es etwas unaufgeregter „A Billion Wicked Thoughts“, zu deutsch „Eine Milliarde schmutziger Gedanken“, was dem Inhalt sicherlich gerechter wird. Während der Titel nach pseudo-skandalösem Enthüllungsjournalismus klingt, war ich nämlich vom Inhalt wirklich angenehm überrascht. Ein paar Erkenntnisse waren mir persönlich wirklich neu oder zumindest noch nicht als wissenschaftliches Phänomen untergekommen. Dabei ist diese kluge Analyse über Sex und das Begehren im Internetzeitalter stets unterhaltsam und ausgesprochen spannend zu lesen – ohne sich dabei jemals auf das Niveau jener Bestseller zu begeben, die uns vor einigen Jahren die Welt erklären wollten. Seriöse Sachbuchautoren wollen uns ja ohnehin nicht die Welt erklären, sie wollen Zusammenhänge und Sachverhalte aufdecken -. und überlassen das moralische oder weltanschauliche Urteil dem Leser oder der Leserin. Finde ich. Und das ist hier gelungen.

Informationen des Verlags: 

Sai Gaddam, Ogi Ogas

Klick! Mich! An! Der große Online-Sex-Report

Originaltitel: A Billion Wicked Thoughts
Originalverlag: Dutton, New York 2011
Aus dem Amerikanischen von Bettina Spangler

Deutsche Erstausgabe
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-7645-0431-1

€ 16,99 



Montag, 30. April 2012

Next big thing. Really?

Sex sells. Doch in virtuellen Zeiten hat uns so mancher Schlussverkauf der Begehrlichkeiten abgestumpft und gleichgültig gemacht. Schon wieder ein erotischer Bestseller? Gähn. What else is new?

Das Rad neu erfunden hat E.L. James auch wahrlich nicht mit ihrer Trilogie, die in den USA eingeschlagen hat wie eine Bombe. Im Gegenteil: Teile des Plots dürfte vielen Leuten ziemlich bekannt vorkommen, und das ist kein Zufall. Die "50 Shades"-Trilogie wurde zuerst im Internet als Twilight-Fanfiction veröffentlicht. Nach gründlicher Überarbeitung der Charaktere und des Plots hat die Autorin für ihr Werk einen kleinen australischen Verlag gefunden. Mit einem solchen Erfolg hatte natürlich keiner gerechnet. Wieder einmal eine Erfolgsgeschichte, wie sie heutzutage nur die neuen Medien schreiben.

Twilight ohne Vampire und dafür aber mit Sex - das klingt ja durchaus verlockend. Was im ersten Twilight-Band noch charmant und durchaus erotisch daher kommt, hat mich in Band 2 schon manchmal ganz schön genervt. Wer wollte nicht dem guten Edward entgegen aller politischen Korrektness vorschlagen, Bella mal das Hirn rauszuf...*piep*, nur um nachzuschauen, ob sie auch eins hat? Wer vor lauter Fixiertheit auf seinen Vampirlover vergisst zu atmen, bei dem ist vermutlich die eine oder andere Synapse locker.

Doch lassen wir Bella und Edward mal außen vor. "50 Shades of Grey" erzählt schließlich von Anastasia Steel und Christian Grey. Sie ist süße 21 und noch Jungfrau, als die beiden sich zum ersten Mal treffen. Christian ist 27 und schon ein megareicher Geschäftsmann. Ana soll ihn für die Studentenzeitung interviewen und schlägt sich dabei eher schlecht als recht. Ihre natürlicher Charme jedoch bezirzt den bisher emotional Unnahbaren, coolen Christian, für den Liebe bisher ein Fremdwort war. Wir ahnen, wo uns das hinführt. Nun, es kommt noch härter für die arme Anastasia. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn schon bald stellt sich heraus, dass ihr Lover dunkle Sehnsüchte hat, sprich sie sexuell dominieren will.

Ana ist hin- und her gerissen zwischen Anziehung und Ablehnung, und da sie ihre eigenen Grenzen noch nicht kennt, ist sie zuweilen überfordert. Hinzu kommt noch, dass Christian Grey natürlich nur zum "Dom" geworden ist, weil er in seiner Kindheit misshandelt wurde. Die schlimme Kindheit macht ihn zum Ober-Kontrollfreak, und Ana ist hartnäckig genug, um der Sache auf den Grund zu gehen und ihren "50 Shades", wie sie ihn nennt, mit der Kraft ihrer Liebe zu befreien.

Ja, das meine ich jetzt genau so schnulzig, wie das klingt. Denn auch wenn vermutlich die durchaus deftigen Sexszenen ein Kaufanreiz sein mögen, so ist wohl die Romanze zwischen den beiden ungleichen Partnern das, was einen weiterlesen lässt. Ein bisschen Cinderella, eine Portion "My fair Lady" und noch ein bisschen Twilight, fertig ist die Trilogie. Es wäre zu einfach, das Ganze zu verreißen. E. L. James wollte mit Sicherheit nichts anderes als gute Unterhaltung zu schreiben, und ehrlich gesagt, gelingt ihr das durchaus. Das hier ist keine gute Literatur, aber sie ist keine schlechte Erzählerin (wenn man von einigen Wiederholungen mal absieht). Sie sagt das sogar über sich selbst in Interviews und kommt dabei ausgesprochen ehrlich und sympathisch rüber. Und mal ehrlich, Anleihen aus anderen Werken der Literatur sind auch nichts Ehrenrühriges, so lange es sich nicht um ein Plagiat handelt.

Man kann und sollte kritisieren, dass Ana ebenso wie Bella eine Heldin ist, die einen "starken Mann"; einen Beschützer sucht statt sich auf sich selbst zu verlassen. Dass frau sich von Zeit zu Zeit in der Fluffigkeit solcher Vorstellungen verlieren mag, ist ja nichts Neues, schließlich lesen wir seit Jahrhunderten mit Begeisterung Jane Austen, aber es macht mich schon nachdenklich, dass solche "Heldinnen" derzeit in Mode sind. Weiterhin ging mir die leichte Pathologisierung von BDSM auf die Nerven. Also dass der arme misshandelte Christian seine Dominierungstendenzen als Krücke benutzt, bevor er lernt, "richtig" zu lieben. Hier gibt es sicherlich auch noch mehr als fünfzig andere Schattierungen dieser Spielart und da soll nun wirklich jeder nach seiner Fasson und ohne Vorverurteilung glücklich werden.

Im prüden Amerika soll das Buch auf viele Frauen ausgesprochen "inspirierend" gewirkt haben und in den Ehebetten scheint's grade richtig abzugehen, wenn man der Presse Glauben schenkt. "50 Shades of Grey" bekam dort das böse Label "mommy porn" aufgedrückt. Nun ja. Alle beteuern, dass sie es schlecht finden, aber irgendwo müssen die Verkaufszahlen herkommen...Und ach ja, die Filmrechte sind auch schon verkauft.



"50 Shades of Grey" ist ein klassisches Beispiel für "guilty pleasures" - man weiß ja auch, dass eine ganze Tafel Schokolade auf einmal nicht gut ist, aber manchmal...

Die Trilogie wird ab Juli 2012 auch bei uns in Deutschland erhältlich sein. Ich bin gespannt, ob die deutschen Frauen genauso darauf abfahren. Ob's einen Medienhype gibt oder ob er verpufft.
Ich habe das ja auch nur gelesen, damit ich dann mitreden kann *fg*...ganz im Sinne der Wissenschaft.